Aus dem Leben eines Patchworkkindes: Komme ich zu Papa nach Hause nach so einem besonders öden Schultag … also manchmal frage ich mich echt, wer die Stundenpläne erstellt, vermutlich werden die automatisch generiert, und nachher sagen alle: der Computer hat. Der Computer kann das nicht anders, als ob niemand das Programm geschrieben hätte, na, egal. Jedenfalls: ich komme nach Hause, und wer sitzt da im Küchlein mit den Erzenglein, ganz zwanglos und trotzdem etwas, ich weiß nicht, so, als ob er nicht hierher passen würde, als ob so eine ganz normale Küche einfach kein Hintergrund wäre, der ihm entspricht: Josef. Manuel macht gerade eine Apfeltarte und staubt mit Zucker herum, damit die Kanten schön karamellisieren, ich liebe Apfeltarte. Manuel scherzt und Josef sieht ihm zu, die Arbeit mit den Händen, sagt er, ist mir die liebste. Bewundert die staubigen Finger.
Papa steht auf und geht um die Kücheninsel. Sie sind so mit sich beschäftigt, dass sie mich kaum bemerken, ich knalle also meinen Schulrucksack auf die Platte. Manuel sagt, dass er mir zum hundertsten Mal sagt, dass der dort nichts verloren hat und jetzt außerdem voller Mehl ist, dann hält er ihn mir mit langen Zuckerfingern hin und schaut so seltsam drein. Die Rucksackrückseite ist wirklich schneebestäubt. Josef sagt, hey, und ich ignoriere ihn und sehe Papa an: Wo bleibt jetzt meine Qualitätszeit, hä, erklärt mir das wer, die große Quality-Time-Lüge? Er sagt, beruhige dich, gleich gibt es Kaffee und Tarte aux pommes, ganz pompös auf einmal. Und überhaupt, als ob ich Kaffee trinken würde, ich doch nicht. Ich nehme mein Zeug und hänge es dort auf, wo mein Vater, der Pedant, will, dass ich es aufhänge. Manuel fragt Josef, ob er Lust hat, das Schlagobers zu schlagen, wenn er traditionelle Handarbeit so schätzt, und weil ich weiß, dass Josef das wirklich nicht ertragen könnte, seinen Anzug zu beschmutzen, springe ich dazwischen und sage, nichts täte ich lieber. Dann sehe ich den Schneebesen zu, die sich auf Plastik drehen, was ein schmetterndes Hubschraubergeräusch macht, wenn man sich drüber beugt, und die weiße Flüssigkeit spritzt zielsicher über den Rand, Papa sagt, ich soll nicht so eine Sauerei veranstalten, und Manuel sagt, nichts wäre so ausgeprägt wie die Feinmotorik von Schneiderhänden. Höchstens noch Chirurgenhände, Josef lacht, die Sahne ist fertig geschlagen, und ich lecke die Quirle ab, als keiner hinsieht, während Papa den Tisch deckt.
Später wollen sie alle drei ausgehen, und ich lasse sie alleine ziehen. Manuel wirft sich in Schale, so hat man ihn noch nicht gesehen, während Josef sich schon einmal in seinen Wagen zurückzieht, sonst wird dem Chauffeur langweilig, meint er noch. Papa und ich bleiben zurück an zwei Seiten der Kücheninsel. Immer um den Herd, sagt er mit einem Lächeln, das irgendwie flattert: ich will es mir genauer ansehen, doch es kommt nicht wieder. Ich könnte mir ja in der Zwischenzeit eine Kochsendung genehmigen, schlägt er vor. Immer das Getue um das Essen, sage ich. Biedermeierei. nG